Kurz mein Vorwissen: Ich habe vor Ewigkeiten 1602 angespielt, weiß nur noch wenig davon, und 1503 gar nicht. Bin also völlig neutral in Sachen 1701.
Gut gelungen: Die Spielwelt und die schöne Grafik. Delphine die mit den eigenen Schiffen schwimmen. Ein Siedler und Bürger, die arm-in-arm betrunken über den Marktplatz torkeln. Ist allerdings etwas gefräßig in Bezug auf Hardware und auf meinem Notebook fängt es selbst bei niedrigsten Details schnell zu Ruckeln an. Läuft aber immerhin. Dazu merkt man an allen Ecken und Enden wie man behutsam unterstützt wird. Tatsächlich merkte ich erst nach zwei, drei Spielen, dass man gar nicht Pleite gehen kann.
Schlecht gelungen: Man kann nicht Pleite gehen. Die Herausforderung hält sich doch arg in Grenzen, wenn man erstmal ausgetüftelt hat wie man gewinnt. Der Weg dahin macht zugegeben Spaß, ist aber viel zu kurz.
Spielt man z.B. ohne Händler ist es ein leichtes gegen die drei schweren Computergegner zu gewinnen. Obwohl die Schummelsäcke cheaten! Sie bauen nämlich weder Minen, noch Werkzeugmacher und nach ein paar Gewitterstürmen, Sabotageakten und gezielten Militäraktionen ist ihre Wirtschaft total zerstört. Grundlos. Sie bauen ihre Siedlungen nur halbherzig wieder auf, ich vermute wegen Werkzeugmangels, und fallen wieder auf Siedler oder gar Pionierlevel zurück. Nach einer Blockade der Hauptinsel geben sie dann überraschend auf.
Spielt man mit freiem Händler ist es auch nicht besser. Es lohnt sich dann nicht bestimmte Sachen selbst herzustellen, denn so sind Werkzeuge, Schwerter oder Kanonen billiger vom fahrenden Händler oder per Kurierschiff erkaufbar, als wenn man sich selbst die Mühe macht (diverse Forschung, Baukosten, Platzbedarf, Unterhaltskosten, Zeitaufwand). Schwerter und Kanonen braucht man auch nicht ständig, aber wenn dann reichlich, deshalb ist es auch bequemer sie einzukaufen als lange auf die Produktion zu warten. Geld sollte sowieso kaum das Problem sein wenn man aufrüsten will.
Überhaupt fand ich den Handel witzlos. Ich kann es nicht genau definieren... vielleicht weil es zu sehr nach dem immer gleichen Schema geht. Die Einheimischen Völker wollen immer das gleiche. Der freie Händler kauft einem alles ab. Die anderen Computerspieler wollen entweder a) nicht mit einem handeln oder b) zahlen schlechtere Preise als der Händler. Es könnte ein toller Part des Spiels sein. Ähnlich einer Wirtschafts-Simulation. Zum Beispiel, dass man nur Tabak anbaut, um einen anderen Spieler die Preise kaputt zu machen. Oder dass man Zuckerrohr importiert, verarbeitet, und dann nach Europa exportiert.
Dann haben die eigenen Einwohner nichts mit den Produktionsbetrieben und Plantagen zu tun: Man braucht Wohnhäuser nur für Steuern und um Gebäude frei zu schalten. Die Strategie ist somit vorgegeben: Eine große Insel für eine Stadt und dazu einzelne Produktionsinseln. Wo man was zu bauen hat (Kakao, Tabak Zuckerrohr, Weizen) ist auch schon vorgegeben. Schema F. Viel cooler, wirklichkeitsgetreuer und herausfordernder fände ich, wenn die Siedler in den Produktionsbetrieben und auf den Plantagen auch wirklich arbeiten würden. Je nach Bildungsstand und Status arbeiten höhere Zvilisationsstufen in Betrieben, Manufakturen, Banken, Kontoren, der Verwaltung oder als Ärzte, betreiben vielleicht eine eigene Hafenbar, für die Plantagen bräuchte man aber weiter Siedler/Pioniere. Die dicken Kaufleute können jedenfalls keine Baumwolle pflücken. Wohnhäuser müsste man auch in Arbeitsplatznähe errichten und Verkehrsprobleme lösen, vielleicht gar einen Stau vermeiden (kennt ihr "Sim City: Rush Hour"?). Ergebnis wäre nicht eine große Zusammenballung von zehntausend Aristokraten (auch sehr unrealistisch), sondern Ziel müsste eine organisch wirkende Stadt sein und Plantagen mit kleinen Dörfern. Sim City ist ein gutes Stichwort, weil das Spielprinzip dort ohne viel Mikromanagment eine lebendige, pulsierende Stadt ergibt, während Anno arg statisch ist.
Krieg:
Glücklich ist der, der noch keine feindliche Miliz gesehen hat, die sinnlos sich eine halbe Stunde an einem Stück Mauer abarbeitet... *seufz* Ebenso Gebäude. Kann man da nicht eine brennende Fackel aufs Strohdach werfen und dann brennt das Haus? Im Gegenzug könnten sich die Dorfbewohner ja besser gegen Militäreinheiten verteidigen, so dass man nicht mit drei Soldaten eine Stadt aufmischt. Der Schiffskampf ist ganz okay, nur fehlt das Entern. Ich meine, was zum Teufel machen die Piraten da? Den Spieler nerven? Schiffeversenken spielen? Sie schießen nur unmotiviert herum. Beste Strategie ist sich nicht drum zu kümmern, das Schiff einfach weiterfahren zu lassen und in regelmäßigen Abständen zu reparieren. Unspannend. Unter Piraten stelle ich mir aber mehr Räuber vor, die ein ertapptes Handesschiff jagen, entern, einem die Waren klauen und das Schiff wieder frei lassen, auf das man ihnen bald neue Waren bringt.
Fazit:
Nach dem Ausschalten der schwersten Gegner und dem Erreichen der Unabhängigkeit habe ich das Gefühl, dass Spiel "durch zu haben". Evtl könnte das Anno 1701 ganz gut im Multiplayer funktionieren, wurde wohl auch für ihn entwickelt mit den ganzen Fiesheiten der Logenaktivitäten. Allein... das Multiplayerforum hier ist bezeichnenderweise ziemlich leer. Keine Strategiefragen? Wieviel Grenadiere man braucht um x Dragoner zu besiegen oder Fragen danach, was man bei menschlichen Gegnern als erstes bauen sollte?
Dieser Beitrag wurde bereits 3 mal editiert, zuletzt von »Tyler« (10. Dezember 2006, 03:06)